Unter der Herrschaft der Roten Khmer (1975 – 1979)

Am 17. April 1975 nahm die Rote Khmer die Hauptstadt ein. Das Durchschnittsalter der Soldaten lag bei 13 Jahren. Die Rote Khmer wurde zunächst mit Begeisterung empfangen, glaubten doch die meisten, dass nun Sihanouk als offizieller Repräsentant der Roten Khmer für eine Versöhnung der Stadt- und Landbevölkerung sorgen würde. Doch diese Erwartungen wurden innerhalb wenigen Stunden brutal zunichte gemacht. Die Rote Khmer befürchtete einen Aufstand der Stadtbevölkerung und ordnete deshalb an, dass alle Bewohner von Phnom Penh innerhalb 48 Stunden die Hauptstadt verlassen mussten. Selbst die Krankenhäuser wurden evakuiert. Ungehorsam wurde mit dem Tod bestraft. Menschen, die sich in ihren Häusern versteckten wurden erschossen. Innerhalb einer Woche wurde Phnom Penh zur Geisterstadt.

Die neue Regierung nannte das Land zynisch „Demokratisches Kambodscha“. Ihre Ideologie war die bedürfnislose Gleichheit der Menschen. Sie wollten Kambodscha in einen reinen Bauernstaat verwandeln. Die „Bourgeoisie“ wurde abgeschafft, ebenso das Geld. Bücher wurden verbrannt und aus Bibliotheken wurden Schweineställe. Jeder wurde zum Arbeiter und musste eine schwarze Einheitskleidung und den gleichen Haarschnitt tragen. Bis auf die Todesstrafe wurden alle Strafen abgeschafft. Das Privateigentum und Gefühlsäußerungen wurden verboten. Jegliche Ausübung von Religion (Buddhismus, Islam) wurde verboten. Mönche wurden verfolgt. Die Khmer arbeiteten bis zu zwölf Stunden täglich auf dem Land – meistens ohne ausreichende Arbeitsgeräte. Jeder konnte als potenzieller Volksverräter umgebracht werden. Wer zu spät zur Arbeit kam, wer eine Brille trug, wer Fremdsprachen sprach – verdächtig war jeder. Doch die Rote Khmer hatte es besonders auf den gebildeten Teil der Bevölkerung und Regimegegner abgesehen. Jeder der aus der Stadt kam, Lehrer oder Arzt oder auch nur Familienzugehöriger war, war gefährdet. Kinder wurden zu Spitzeln herangezogen, um später auch gegen ihre eigene Familie auszusagen. Kambodscha verwandelte sich innerhalb kurzer Zeit in ein gigantisches Arbeits- und Gefangenlager. Das berüchtigte „Sicherheitsgefängnis 21“, geleitet von Kang Kek Leu („Duch“), überleben nur 7 von ca. 22.000 Gefangenen. Nur 5.000 Lehrer und 50 Ärzte überlebten den Terror der Roten Khmer. Da Gewehrkugeln kostbar waren, wurden viele mit Hacken und Äxten umgebracht und in Massengräber geworfen, die sie sich zuvor selbst geschaufelt hatten. Die ganze Bevölkerung litt unter grausamen Hunger, doch alles Essbare galt als Eigentum des Volkes und so wurde jeder „Diebstahl“ sofort mit der Höchststrafe geahndet. Wer nicht von der Roten Khmer verfolgt wurde und deshalb ums Leben kam, den brachte der Hunger, die Zwangsarbeit und fehlende medizinische Versorgung ums Leben.

Insgesamt starben während der fast vierjährigen Herrschaft der Roten Khmer ein Viertel der Bevölkerung, d.h. ungefähr 2 Millionen Menschen.

Gelenkt wurde alles von einer nebulösen Führung, die sich „Angkar“ nannte. Sie bestand aus dem Kadern der Roten Khmer. Aber keiner wusste, wer sich hinter „Angkar“ verbarg. Der Bevölkerung wurde klar gemacht, dass „Angkar“ alles lenke, alles wisse und unfehlbar sei. Das führte dazu, dass jeder Lagerleiter sich auf die Anweisungen „Angkars“ berief und so sich selbst bei grausamen Taten aus jeder persönlichen Verantwortung zog.

Für die außenpolitischen Ziele der Roten Khmer benötigten sie genügend Waffen. Deshalb hatten sie eine Vertrag mit China geschlossen, der ihnen die Lieferung von Waffen gegen Reis vorsah. Das hieß eine Verdreifachung der sowieso schon knappen Reisproduktion. Der hohe Druck der lokalen Funktionäre und die verstärkte Hungersnot führte zu Revolten, die jedoch brutal niedergeschlagen wurden. Da das geplante Ziel nicht erreicht werden konnte, sah die Führung der Roten Khmer dies als Sabotage der lokalen Funktionäre und führte daher verhäuft auch Säuberungsaktionen unter den eigenen Reihen durch.

1978 begann die Rote Khmer verhäuft gegen Thailand und Vietnam zu kämpfen, konzentrierte dann aber ihre Kämpfe ausschließlich auf Vietnam. Pol Pot wollte die Ansprüche auf das einst von Khmer bewohnte Mekongdelta geltend machen. Nach heftigen Angriffen auf vietnamesische Dörfer marschierte die vietnamesische Armee Ende Dezember 1978 ohne großen Widerstand in Kambodscha ein.